Mittwoch, 16. Dezember 2009

Westbank

Architektur ist Politik? (Mitch Kapor)
Architektur wir heute im Allgemeinen als apolitische Disziplin gelehrt und praktiziert. Wie gesellschaftspolitisch relevant ist Architektur wirklich? Inwiefern kann Architektur zur Ausübung von Macht verwendet werden? Die israelischen Wohneinheiten auf besetztem Gebiet sind illegal, als Überwachungsapparat haben sie aber militärische Funktion und werden von der Regierung toleriert. Die schwerbewachten Siedlerhäuser in Palästinensergebieten gelten als Symbol jüdischen Machtanspruchs und werden zur Vertreibung und infrastrukturellen und wirtschaftlichen Schwächung der Palästinenser verwendet um sich deren Land anzueignen. Welche Rolle spielt der Architekt und ist es moralisch vertretbar solche Siedlungen zu planen und Architektur als strategische Waffe, welche die Menschenrechte verletzt, einzusetzen? Wird der Architekt indirekt zum Politiker?

Geschichte Israels - Überblick
Die Diaspora beginnt 586 v.Ch mit der Zerstörung des ersten Jerusalemer Tempels und dem Untergang des Reiches Judäa. Die Juden verlassen ihr angestammtes Gebiet und lassen sich in Babylon und Ägypten nieder, wo sie in eigenen Siedlungen mit eigenem Rechtsstatus angesiedelt werden, was bis heute für die jüdische Diaspora charakteristisch bleibt. Unter römischer Herrschaft wird 70 n.Ch der zweite Tempel zerstört und die Ansiedlung von Juden verboten. Kaiser Hadrian nennt das Land Palästina (nach den Philistern), um die Erinnerung an die jüdische Bevölkerung auszulöschen.

Seit 636, unter arabischer Herrschaft, wird Palästina mehrheitlich von Arabern bewohnt. In den 1880ern gibt es aufgrund beginnender Unterdrückung und Verfolgung in Europa die erste jüdische Einwanderungswelle in Palästina, was zu wirtschaftlichem Aufschwung führt. Diese Blüte zieht noch mehr Immigranten aus verschiedenen Ländern und mit unterschiedlichen Konfessionen ins Land. Zu diesem Zeitpunkt heißt die Region noch Palästina, ist aber kein eigenständiges Land.

1897 findet der erste Zionistenkongress statt, wobei erstmals die Forderung nach einem völkerrechtlich legalisierten Judenstaat in Palästin laut wird. Bei der zweiten Einwanderungswelle (1904-1914) spielt der Zionismus bereits eine maßgebliche Rolle. Auf die Bedürfnisse der arabischen Bevölkerung wird dabei kaum eingegangen. Führende Zionisten streben zwar eine Einigung mit den Arabern an, der Umgangston ist aber stark von Kolonialismus geprägt.

Nach Ende des Ersten Weltkriegs ist die Osmanische Herrschaft beendet; das Mandat für Palästina (heutiges Israel und Jordanien) geht an Großbritannien. Die Verwirklichung der Balfour Deklaration (fordert unter anderem Gründung einer Heimstätte für das jüdische Volk) ist dabei Bedingung. Die britische Mandatsmacht sollte die jüdische Einwanderung ermöglichen, die Einwanderer geschlossen ansiedeln und dies auch auf ehemaligem osmanischem Boden tun, wobei dafür gesorgt werden sollte, dass

„...nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und die religiösen Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina oder die Rechte und die politische Stellung, deren sich die Juden in irgendeinem anderen Lande erfreuen, präjudizieren könnte.“

Ab 1922 dürfen sich Juden nur noch in Westpalästina ansiedeln (entspricht 22% des britischen Mandatsgebietes), das Gebiet östlich davon wird zu Transjordanien, später mit der Unabhängigkeit zu Jordanien. Westpalästina umfasst das heutige Israel, das Westjordanland und den Gazastreifen.

Der Druck auf die Juden in Europa erhöht sich, infolge dessen wächst die jüdische Bevölkerung in Westpalästina. Anfangs fördert Deutschland die Emigration deutscher Juden nach Palästina. Später verbrüdert sich die NS-Führung mit arabischen Nationalisten mit dem Ziel, einen jüdischen Staat zu verhindern und einen Keil zwischen Araber und Juden zu treiben.

Zwei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs 1947 wird der UN-Teilungsplan präsentiert. Um den hebräisch-arabischen Konflikt zu lösen, soll Westpalästina in einen arabischen und einen jüdischen Staat geteilt werden. Die arabische Bevölkerung stemmt sich aus mehreren Gründen gegen den Teilungsplan, unter anderem, weil sie die Präsenz der Juden und deren internationale Legitimation als Provokation empfindet.

1948 wird die Unabhängigkeit des Staates Israel ausgerufen. Noch am Tag der Staatsgründung erklären Ägypten, Saudi-Arabien, Libanon, Syrien, Irak und Jordanien Israel den Krieg, es kommt zum Israelischen Unabhängigkeitskrieg. In dessen Verlauf verlassen viele Araber aufgrund von Flucht oder Vertreibung ihr Land, wodurch ihr Rechtsanspruch auf die Gebiete verloren geht. Der Krieg verschafft Israel Gebietszugewinne. Die laut UN-Teilungsplan palästinensischen Gebiete kommen in der Folge unter jordanische (Westjordanland) und ägyptische (Gazastreifen) Verwaltung.

Eine der Hauptfolgen des Israelischen Unabhängigkeitskrieges ist das palästinensische Flüchtlingsproblem: 726.000 Palästinenser fliehen aus den von Israel besetzten Wohngebieten. Sie kommen in Flüchtlingslager im Libanon, im Westjordanland, in Jordanien, Ägypten und dem Gazastreifen unter, wo sie zum Teil bis heute unter unwürdigen Bedingungen leben. Die arabischen Staaten haben die Flüchtlinge kaum integriert, bis auf Jordanien hat kein Land ihnen Staatsbürgerschaften angeboten. Mit ihren Nachkommen ist die Anzahl der Flüchtlinge bis heute auf ca. 4 Millionen angewachsen. Die sie vertretenden Organisationen fordern für alle ein Recht auf Rückkehr, was Israel verweigert, um die jüdische Mehrheit in Israel zu erhalten. Israel stellt das Problem als freiwillige Auswanderung dar und argumentiert, dass es sich um einen Angriffskrieg gehandelt hat, weshalb es keine Rechtsansprüche für Flüchtlinge und vor allem nicht für deren Nachkommen geben kann.

Arabische Liga
Ägypten, Irak, Transjordanien, Jemen, Libanon, Saudi-Arabien und Syrien schließen zuerst einen Nichtangriffspakt, dann einen Verteidigungspakt gegen Israel. Ziel der Arabischen Liga ist es, die ganze Region zu einer islamisch-sozialistische Nation zusammenzuschließen. In der Folge geht es um die Auslöschung Israels.

1967: Sechs-Tage Krieg
1966 nehmen die arabisch-terroristischen Angriffe in Israel überhand. Ägypten will sich nicht mehr bei der UNO über Israel beklagen, sondern den Zionismus im totalen Krieg auslöschen, Syrien ebenso. Ägypten, Jordanien und Irak kommen dazu, so soll Israel vernichtet werden. Israel startet einen Präventivschlag und kontrolliert in der Folge den Gazastreifen, die Sinai-Halbinsel, das Westjordanland, Ostjerusalem und die Golanhöhen. Es folgt ein Waffenstillstand. Der Erwerb von Territorien durch Krieg ist seit Ende des Zweiten Weltkriegs unzulässig (sofern das besetzte Land nicht zustimmt), das heißt, Israel müsste alle besetzten Gebiete zurückgeben. Nach vehementen Forderungen seitens der UNO gibt Israel schließlich die Sinai-Halbinsel an Ägypten zurück, die restlichen besetzten Gebiete allerdings nicht. Wieder fliehen 175.000 Palästinenser. Israel beginnt nach Ende des 6-Tage-Krieges systematisch in besetzten Gebieten (heutiges Palästina) Siedlungen zu bauen. Der bis heute praktizierte Siedlungsbau, auf den wir in unserer Arbeit näher eingehen werden, vertreibt weitere 250.000 Palästinenser aus ihrem Land.

Karthum-Resolution
wurde von den Führern acht arabischer Staaten verabschiedet und bestimmt deren Politik gegenüber Israel bis zum Jom-Kippur-Krieg. Die wesentlichen Punkte der Resolution sind die "3 Neins":

  • Kein Frieden mit Israel

  • Keine Anerkennung des Staates Israel

  • Keine Verhandlungen mit Israel

Vermehrte Anschläge der PLO
Es kommt zur Entführung westlicher Flugzeuge und der Ermordung der jüdischen Passagiere. 1972 werden 11 israelische Sportler bei den olympischen Spielen ermordet.

1973 Jom-Kippur-Krieg
Am höchsten jüdischen Feiertag erfolgt ein Überraschungsangriff auf Israel durch Ägypten und Syrien. Israel gelingt es die Truppen zurückzuschlagen. Der Krieg wird auf Druck der USA beendet, dies führt jedoch zu einer Ölkrise durch ein Ölembargo der arabischen Staaten gegen Israel-freundliche Staaten. Dies bringt Ägypten erheblichen Verhandlungsspielraum.

Camp-David Friedensabkommen
Fünf Jahre nach diesen Geschehnissen wird ein Friedensvertrag zwischen Israel und Ägypten geschlossen. Gewaltverzicht, Abzug Israels aus Sinai, daher erstmals normale Beziehungen zwischen den Staaten und die Anerkennung Israels durch Ägypten sind die Inhalte des Abkommens. Peace Now wird durch israelische Offiziere gegründet, die Ägypten zu weiteren Friedensbemühungen drängen. Ostjerusalem und die Golanhöhen sind laut Israel annektiert, was aber völkerrechtlich größtenteils nicht anerkannt ist.
Friedensbemühungen mit Syrien sind schwierig, da sich das Land als palästinensisches Sprachrohr sieht, jedoch palästinensischen Flüchtlingen die Staatsbürgerschaft verweigert. Der Oslo Prozess sah den Abzug Israels aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen und eine palästinensische Selbstverwaltung vor. Strittige Punkte wurden dabei vertagt, daraufhin geriet das Vorhaben ins Stocken und scheiterte schließlich 2000.

Ab 2003
Islamistische Organisationen wie die Hamas finden regen Zulauf. Sie treten für ein weniger gemäßigtes Auftreten ein und schlagen Terror gegen israelische Zivileinrichtungen. Die Errichtung von Sperranlagen wird begonnen, die teils aus elektronisch gesicherten Zäunen und teils aus einer bis zu acht Meter hohen Betonmauer bestehen. Sie verlaufen zu dreiviertel östlich der Green Line von 1948 in palästinensischem Gebiet und gliedern den Großteil der jüdischen Siedlungen an das Kernland an. Palästinensische Dörfer werden teilweise von drei Seiten von der Mauer umschlossen und so die Bauern von ihren Feldern abgetrennt. Offiziell wurden die Anlagen zum Schutz vor palästinensischen Terrorangriffen errichtet, aber es besteht die Befürchtung, dass Israel so sein Kernland ausweiten und die Palästinenser wirtschaftlich schwächen will. Dadurch wird eine palästinensische Staatsgründung erschwert. Es gibt über 500 Straßensperren. 2005 erfolgt die Absiedelung aller 21 jüdischen Siedlungen im Gazastreifen und vier weiterer Siedlungen im Westjordanland. Gleichzeitig wird der Siedlungsbau im Westjordanland fortgeführt.Hauptstreitpunkte:

Grenzverlauf Israels: die palästinensischen Gebiete sind im Vergleich zum UN-Teilungsplan aufgrund des Palästinakriegs stark reduziert. Staatsform und Staatsgebiet sind sowohl unter Palästinensern als auch unter Israelis umstritten.

Rückkehrrecht der Flüchtlinge: laut palästinensischen Angaben: 8,6 Mio. Israel verweist auf freiwillige Auswanderung und vertriebene Juden aus arabischen Ländern. Israel als Staat wäre mit einem Rückkehrrecht aufgelöst, weil es dann eine arabische Mehrheit in Israel gäbe.

Jüdische Siedlungen: auf seit 1967 besetzten Gebieten, gemeinhin als völkerrechtlich illegal angesehen. Teilweise wurde palästinensisches Land enteignet. Die Auflösung der Siedlungen in Gaza führte nicht zum Fortschritt im Friedensprozess, sondern zum Erstarken der Hamas und der Hisbollah. Der Begriff Okkupation ist laut Israel völkerrechtlich nicht anwendbar, da das Westjordanland nicht zu einem anderen Staat gehört. Palästina ist nicht als Staat anerkannt. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag geht hingegen davon aus, dass die Gebiete, die vor 1967 jordanisch verwaltet waren, von Israel okkupiertes Land ist, da es sich um völkerrechtlich nicht gültig annektiertes Land handelt. Dies gilt für die Golanhöhen und das Westjordanland. Die Sperranlagen werden daher auch größtenteils als illegal betrachtet, weil sie im Verlauf zu 80 % von der Green Line von 1967 abweichen.

Trinkwasserknappheit führte zur Jordan-Frage, Syrien wollte die Jordanquellen umleiten, was unter anderem Auslöser des Sechstagekrieges war.

Jerusalem wird von beiden Seiten als Hauptstadt beansprucht. Ostjerusalem ist palästinensisch dominiert, Westjerusalem israelisch.

Zu den israelisch besetzten Gebieten zählen alle, die außerhalb der offiziellen Staatsgrenzen von 1967 liegen: Westjordanland, Ostjerusalem und die Golanhöhen. Der Gazastreifen wurde 2005 unter Sharon von Siedlungen und Militärstützpunkten geräumt, die Grenzen sind aber weiter unter israelischer Kontrolle.

Es sind bereits 84% der besetzten Gebiete geräumt, die sich großteils auf der Sinai-Halbinsel befanden. Das Gebiet ist hauptsächlich Wüste und wurde an Ägypten zurückgegeben. Die Forderung nach einem eigenen palästinensischen Staat wurde von Ägypten (Gaza) und Jordanien (Westjordanland) aufgegeben.

Die heutigen palästinensische Autonomiegebiete beinhalten palästinensische Ballungsräume, bilden jedoch keine zusammenhängende Fläche, sondern Enklaven zwischen israelischen Gebieten. Eine Unabhängigkeitserklärung und definitive Außengrenzen sind daher schwierig zu erreichen. Allerdings ist die Autonomie dieser Gebiete stark eingeschränkt durch die israelischen Sicherheitsmaßnahmen.

Unklar ist auch was mit den Flächen zwischen den Waffenstillstandslinien von 1948 und 1967 geschehen soll. Sie sind flächenmäßig unbedeutend, aber strategisch wichtig und müssten geteilt werden. Zum offiziellen Staatsgebiet gehören auch jene Gebiete des israelischen Kernlands, die über die Grenzen des Teilungsplans hinausgehen. Das ist größtenteils völkerrechtlich anerkannt, außer von den meisten arabischen Staaten. Die Hamas fordert zB im Zuge der Befreiung Palästinas auch das israelische Kernland ein.

De facto aufgegebene besetzte Gebiete:

  • Sinai gehört seit 1982 wieder zu Ägypten,

  • südlicher Libanon: seit 2000 laut UN geräumt (Libanon beansprucht weiter besetzte Gebiete in den Golanhöhen für sich)

  • Gazastreifen: seit 2005 militärisch geräumt, Siedlungen zwangsgeräumt

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